Fußball-Popstars
Die Playboys des Rasens
Auf seine eigene Beerdigung wäre George Best vermutlich nur zu gerne gegangen. Zehntausende Menschen tummelten sich am 3. Dezember 2005 auf den Straßen der nordirischen Hauptstadt Belfast. Wie Mauern standen seine Fans auf den Bürgersteigen. Ihr Held war tot, doch die Menge feierte, klatschte und grölte. Nie wieder würden sie ihm zujubeln können, doch sie warfen Schals, Blumen und Fotos auf die Haube des vorbeischleichenden schwarzen Trauerwagens, in dem - hinter Glas und in einem Holzsarg - der tote George Best lag. Bests Beerdigung war keine Trauerfeier, es war eine Trauerparty - und mehr als 100.000 Gäste waren gekommen.
Mit großen Partys kannte George Best sich aus. Über sich selbst sagte er einmal: "Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich verprasst." 2000 erlitt Best seinen ersten schweren Leberschaden, 2002 musste ihm ein neues Organ eingepflanzt werden, er trank weiter, drei Jahre später war Best tot. Niereninfektion und innere Blutungen.
Bis heute gilt der Spielmacher aus Nordirland als die erste Stil-Ikone der europäischen Fußballgeschichte, eine Art Hybrid aus Spitzensportler und Spitzenmodel, Fußballer und Frauenheld, Playboy und Popstar. Fans und Journalisten tauften Best wegen seiner dunklen Pilzfrisur "den fünften Beatle".
Thomas Lötz und Reinaldo Coddou H. - der eine Sportjournalist, der andere Fotograf und Mitbegründer des Fußballmagazins "11 Freunde" - haben Best und anderen Popstars der Fußballgeschichte nun ein Denkmal gesetzt. In "Football Styler" erzählt Lötz Anekdoten, Skandale, Exzesse und Eskapaden der stil- und ballsichersten Charakter-Fußballer der vergangenen Jahrzehnte. Das Urteil seiner Bilderreise: Guter Fußball ist immer auch eine Frage des guten Stils.
Es ist schwierig zu sagen, wann genau aus einem Fußballer ein Idol der Popkultur, wann aus einem gut angezogenen Spieler eine Stil-Ikone wird - und was zuerst da war: Die Aufmerksamkeit für einen außergewöhnlichen Leistungssportler - oder die für eine außergewöhnliche Type. "Football Styler" erhebt daher auch "keinen Wert auf Vollständigkeit ( ), geschweige denn große Erklärungen". Die Kapitel tragen Namen wie "Rauchen", "Mode", "Haare" oder "Autos". Einzig George Best, Günter Netzer, David Beckham und Cristiano Ronaldo wurden ganze Kapitel gewidmet. "Sie alle haben auf und abseits des Platzes etwas Eigenes geschaffen, das nachfolgende Stil-Generationen kopiert haben - oder zumindest als Grundlage genutzt haben", erklärt Thomas Lötz.
Günter Netzer: Deutschlands erste Fußballer-Stil-Ikone
Günter Netzer, der erste deutsche Fußball-Popstar, war beispielsweise nicht nur auf dem Platz als "Mittelfeldmotor" berüchtigt: Netzer liebte schnelle Autos. Das Geld für seinen ersten Porsche, einen 911er Coupé, kratzte er eben so zusammen, weil er parallel Versicherungen verscherbelte und die Stadionzeitung herausgab. Als er dann 1971 in Mönchengladbach auch noch seine eigene Disco - die Lovers' Lane - eröffnete, soll sein Trainer damals gesagt haben: "Das ist das Ende."
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Doch das Ende kam für Netzer so schnell nicht: Der "Schlappe", wie er genannt wurde, schoss in den folgenden zwei Jahren jeweils das "Tor des Jahres", 1973 wurde er mit der "Fohlen-Elf" Deutscher Pokalsieger, 1974 holte er mit der Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft. 1973 zog es Netzer nach Spanien zu Real Madrid, wo auch nach ihm immer wieder Stil-Ikonen wie David Beckham und Cristiano Ronaldo anheuerten.
Mit einem Unterschied, wie Netzer 2012 in einem Interview erklärte: "In meiner Zeit gab es für Popstars keine Akzeptanz", sagte er. "David Beckham hatte es einfacher als ich."