Erdogan-Wahlkampf
Dann halt Sarajevo
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan macht Wahlkampf in Sarajevo, Bosnien-Herzegowina. Dabei geht es um die vorgezogenen Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Juni in der Türkei. Mehr als drei Millionen im Ausland lebende Türken sind bereits ab dem 7. Juni zur Wahl aufgefordert.
Zu Erdogans Auftritt in Sarajevo reisten vor allem Anhänger aus Deutschland mit Bussen an. Veranstalter hatten im Vorfeld rund 15.000 türkischstämmige Teilnehmer erwartet. Zuvor hatten Deutschland, die Niederlande und Österreich Auftritte türkischer Politiker untersagt.
Und wieder die "osmanische Ohrfeige"
"Seid ihr bereit, der ganzen Welt die Stärke der europäischen Türken zu demonstrieren?", sagte Erdogan zu den jubelnden Auslandstürken. Erneut bediente er sich der Metapher der "osmanischen Ohrfeige", die er zuletzt als Warnung gegen die USA im Syrienkrieg genutzt hatte. Konkret sagte er diesmal: "Seid ihr bereit, den Terrororganisationen und ihren lokalen und ausländischen Handlangern eine osmanische Ohrfeige zu verpassen?"
Er bat die Türken in Europa zudem um eine "Rekordzahl an Stimmen" und forderte sie auf: "Gebt von Deutschland, Belgien, Österreich, den Niederlanden aus eine Antwort, die überall in Europa gehört werden kann."
"Großer strategischer Schaden für das kleine Balkanland"
In Bosnien Herzegowina hat die Veranstaltung zu heftigen Kontroversen geführt. Er habe davon nur aus den Medien erfahren, sagte das kroatische Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, Dragan Covic, dem Zagreber TV-Sender HRT. Der Besuch füge dem in die EU strebenden, kleinen Balkanland großen strategischen Schaden zu. Besonders da mehrere europäische Länder einen Erdogan-Wahlkampfauftritt zuvor verboten hatten.
Die drei Mitglieder des Staatspräsidiums wechseln sich alle acht Monate als Staatsoberhaupt in Bosnien-Herzegowina ab. Der Regierungschef ist der Vorsitzende des Ministerrats, der vom Staatspräsidium ernannt und dem Abgeordnetenhaus bestätigt wird.
Die Türkei hatte den geplanten Auftritt Erdogans über das muslimische Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, organisiert. Izetbegovic, der sich als enger Freund des türkischen Präsidenten bezeichnet, hatte die Türkei als Investor und Verbündeten gelobt.
Türkei finanziert Autobahn nach Serbien
So werde die Türkei etwa die schon lange geplante Autobahn zwischen Sarajevo und Belgrad finanzieren. Für diesen zentralen Transitweg zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien sei am Sonntag eine Absichtserklärung unterschrieben worden, sagte Izetbegovic.
Gleichzeitig lobte er Erdogans politische und militärische Maßnahmen in höchsten Tönen: "Sie haben es geschafft, sich um drei Millionen Flüchtlinge zu kümmern", sagte der Spitzenpolitiker zu seinem Gast vor der Presse: "Sie kämpfen mit Terroristen. Ihre Militäraktionen haben nicht zu vielen Opfern geführt und waren sehr erfolgreich."
Demgegenüber kritisierte der zweitwichtigste Muslimführer Fahrudin Radoncic den Wahlkampf in Sarajevo. Erdogan gehe es um "eine Demonstration für Westeuropa: Seht mal, hier auf dem Balkan kann ich sein". Denn "Herr Erdogan hat nicht so viele Wähler in Sarajevo, dass das für ihn interessant wäre", sagte Radoncic dem TV-Sender N1 weiter.
ans/dpa/AP