Archäologie
FBI löst Rätsel um geheimnisvollen Mumienkopf
Als die Männer des US-Archäologen George Andrew Reisner in der alten ägyptischen Nekropole Dair al-Berscha den Schacht zu einem bisher unentdeckten Grab fanden, ahnten sie noch nicht, auf welches Rätsel sie stoßen würden.
Es war der 23. April 1915, die Forscher der Harvard-Universität hatten schon einige Zeit am Rande der Wüste, etwa 250 Kilometer südlich von Kairo gebuddelt. Und sich von den Funden auf dem alten Friedhof neue Einblicke in das Leben der alten Ägypter erhofft. Die Mannschaft brauchte noch sechs weitere Tage, bis sie schließlich vor der Grabkammer von Djehutynakht stand.
Als sie das Grab öffneten, bot sich ihnen ein Bild von martialischer Zerstörung. Bereits in der Antike hatten Plünderer alles mitgenommen, was sie damals für wertvoll hielten. Dennoch lagen etliche Gegenstände in der Kammer: Dutzende Bootsmodelle, Kanopenvasen für die Eingeweide der Toten und eine außergewöhnlich schöne Holzschnitzerei, die "Bersha Prozession". Sie zeigt eine Opferszene.
In der Kammer standen zudem zwei hölzerne Sarkophage, sie waren mit aufwendigen Zedernholz-Schnitzereien versehen und deuteten auf den hohen Status ihrer Besitzer hin. Doch mit den Körpern der Toten hatten die Plünderer ein Gemetzel veranstaltet. Vermutlich wollten die Grabräuber die Mumien nach Kostbarkeiten durchsuchen, dabei trennten sie einer der Leichen den Kopf ab. Er lag auf einem der Särge, einen Torso hatte man einfach in eine Ecke geworfen, beiden Mumien war zerstört und unvollständig.
Die Toten lebten vor mehr als 4000 Jahren zur Zeit des sogenannten Mittleren Reichs. Damals, in der 11. Dynastie, gelang es Pharao Mentuhotep II, Ober- und Unterägypten zu einem gemeinsamen Reich zu vereinigen. In Grab 10 A, wie die Archäologen die Kammer nannten, waren der Regionalgouverneur Djehutynakht und seiner Frau beigesetzt , das ging aus Inschriften hervor. Allerdings ist nicht ganz klar, ob es sich um Djehutynakht IV oder den V. handelt.
Heute stehen die Funde aus der Djehutynakht-Kammer im Museum of Fine Arts in Boston. Der Fund gilt als einer der reichhaltigsten und schönsten aus dem Mittleren Reich, besonders der Sarg mit seinen Intarsien zeugt von großer Handwerkskunst zu jener Zeit. Doch was die Archäologen auf das Schild zu dem Mumienkopf schreiben sollten, wussten sie lange nicht. War es das Haupt des Gouverneurs oder das seiner Frau?
Die Physiognomie ließ keine Rückschlüsse auf das Geschlecht der Mumie zu. Zudem hatten sich seit dem Fund verschiedene Experten an einer Geschlechtsbestimmung versucht. Sie waren alle gescheitert und hatten den Zustand des mumifizierten Schädels arg verschlechtert.
"Zugegeben, das ist ein ungewöhnlicher Partner"
Auch ein CT-Scan im Massachusetts General Hospital brachte 2015 kein Ergebnis. Wangen oder Unterkieferknochen, die Hinweise auf das Geschlecht des Schädelbesitzers hätten geben können, waren in chirurgischen Eingriffen teilweise entfernt worden. Die Archäologen vermuten, dass dies bei einer altägyptischen Zeremonie passiert ist. Sie war vor der Mumifizierung durchgeführt worden, um dem Gouverneur in einem Leben nach dem Tod das Essen und Trinken zu ermöglichen.
Um endlich herauszufinden, was es mit dem geheimnisvollen Mumienkopf auf sich hatte, gaben die Museumsmitarbeiter eine DNA-Analyse in Auftrag. Doch die scheiterte zunächst. Denn aus dem Kopf ließen sich keine brauchbaren Proben entnehmen. Das Alter und die Hitze in der Region hatten das Erbgut zu stark angegriffen.
Nun blieb noch eine weitere Möglichkeit. Das Museum wandte sich an ein Labor des FBI, das sich eigentlich mit der Aufklärung von Kriminalfällen beschäftigt. Die Experten dort arbeiten mit besseren Analysemethoden zur Sequenzierung von DNA. "Zugegeben, das ist ein ungewöhnlicher Partner", erklärt Museumskuratorin Rita Freed auf CNN. Doch der ungewöhnliche Schritt brachte den Erfolg.
Zuvor hatten Forscher einen Zahn aus dem Mumienkopf entnommen. Daraus, so hofften sie, würde sich eine brauchbare Probe entnehmen lassen, da der Zahnschmelz das Erbgut geschützt haben könnte. Tatsächlich gelang es den FBI-Experten, das mitochondriale Erbgut (mtDNA) der Mumie weitgehend zu rekonstruieren. Dieses Erbgut liegt nicht im Zellkern. Aufgrund der hohen Zahl der Kopien ist es wahrscheinlicher, hier noch genügend Material zu finden. Mitochondriale DNA hat Forschern schon oft sensationelle Ergebnisse beschert. So konnten sie bereits das Genom eines Neandertalers rekonstruieren oder auch das einer weiteren ägyptischen Mumie.
Im Falles des Mumienkopfes konnten die FBI-Experten nun mit einer weiteren Methode nachweisen, dass er zu einem Mann gehört haben muss. Das schreibt das Team um die Forensikerin Odile Loreille in einer Studie, die im Fachmagazin "Genes" veröffentlicht wurde. Dabei waren die Forscher selbst zunächst nicht besonders optimistisch. "Wir dachten erst, dass das Material zu kontaminiert für eine Aussage wäre", so Loreille.
Doch nun sei man sich sicher, dass der Kopf zu dem Grab und zu Djehutynakht gehöre. Die Museumsmitarbeiter in Boston müssen jetzt ein neues Schild für das Exponat schreiben.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes konnte der Eindruck entstehen, dass die Forscher über die mtDNA das Geschlecht der Mumie bestimmt haben. Dafür haben sie aber eine weitere Methode angewendet.