Depressionen
Psychischer Stress verkürzt das Leben

Einsam in der Ecke: Selbst leichte psychische Leiden gefährden die körperliche Gesundheit
Nur weil die Stimmung leicht getrübt ist, geht man nicht zum Arzt. Selbst dann nicht, wenn es ein paar Wochen anhält. Auch, wer manchmal etwas Panik verspürt, wird nicht gleich den nächsten Psychiater aufsuchen. Von einer Angststörung oder einer Depression ist man schließlich weit entfernt. Und überhaupt, psychische Störung? Nicht bei mir.
Eine solche Haltung könnte schlimmstenfalls das Leben kosten, zeigt eine Studie im "British Medical Journal". Tom Russ und seine Kollegen vom britischen National Health Service hatten die Daten von knapp 70.000 Briten über 35 Jahren ausgewertet. Laut den Ergebnissen steigt die Sterblichkeit von innerhalb eines bestimmten Zeitraums auch dann schon an, wenn sich Menschen psychisch nur leicht belastet fühlen.
Bereits seit längerem ist bekannt, dass schwere psychische Erkrankungen, aufgrund derer Patienten stationär in der Psychiatrie behandelt werden müssen, das Risiko zu sterben erhöhen. Das Ergebnis, dass auch leicht belastete Menschen betroffen sind, war allerdings neu. Dabei zeigte sich jedoch in der Studie, dass das Sterberisiko im Studienzeitraum mit dem Grad der psychischen Problemen ansteigt. Um die psychische Belastung festzulegen, hatten die Forscher für jeden Studienteilnehmern anhand eines Fragebogens einen Punktewert ermittelt.
Rauchen und Trinken sind unschuldig am früheren Tod
"Selbst Menschen mit wenigen Punkten haben ein erhöhtes Risiko zu sterben", sagt Russ. "Diese Menschen, das ist ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung, sind wahrscheinlich nicht in Behandlung wegen ihrer Beschwerden." Die Forscher rechneten aus ihren Ergebnissen verzerrende Faktoren wie Körpergewicht, Sport, Rauchen, Alkoholgenuss und Diabetes heraus. "Das heißt, die erhöhte Sterblichkeit ist nicht einfach nur eine Folge davon, dass psychisch stärker belastete Menschen mehr rauchen, trinken oder sich weniger bewegen", sagt David Batty von der University of Edinburgh, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Im Studienzeitraum starben knapp 8400 der beobachteten Menschen, etwa 3400 von ihnen erlagen Herz-Kreislauf-Krankheiten, gut 2500 starben an Krebs und weniger als 400 wurden "externen Ursachen" zum Verhängnis - darunter fällt vieles vom Unfall bis zum Suizid. Im Ergebnis stieg das Risiko, während der Studie zu sterben, um 21 Prozent an, wenn sich der Punktewert der psychischen Belastung um eine Standardabweichung erhöhte. Dabei nahmen vor allem die Gefahren zu, an Herzkreislauf-Erkrankungen (22 Prozent höheres Risiko) und "externen Ursachen" (26 Prozent höheres Risiko) zu sterben. Für Krebserkrankungen gab es kein signifikant höheres Risiko (neun Prozent).
Konkrete Empfehlungen können die Mitarbeiter der britischen Gesundheitsbehörde aufgrund ihrer Ergebnisse noch nicht geben. Was den psychisch belasteten Menschen, die sich nicht wegen ihrer Probleme behandeln lassen, am besten hilft, ist nämlich noch nicht erforscht. In einem nächsten Schritt müsst erst überprüft werden, ob die Betroffenen von einer Therapie profitieren würden.
Bislang zeigen Studien keinen großen Effekt einer antidepressiven Behandlung auf das Herz-Kreislauf-Risiko bei Menschen, die bereits an Herz- oder Gefäßkrankheiten leiden. So bleibt denn auch der Psychiater Glyn Lewis von der University of Bristol skeptisch, der die aktuellen Ergebnisse im "British Medical Journal" kommentiert: Es werde wohl kaum gelingen, jeglichen Stress aus der Umwelt der Menschen zu entfernen, so Lewis. Ein sinnvollerer Ansatz könne es sein, den Menschen beizubringen, wie sie auf Stress reagieren. Ein Haken aber bleibe, wie man das einem Großteil der Bevölkerung beibringen soll.
Depressionen
Geschieht dies nicht, können die Folgen dramatisch sein: Depressionen zählen in Deutschland zu den häufigsten Gründen für Berufsunfähigkeit und werden für einen Großteil der rund zehntausend jährlichen Suizide verantwortlich gemacht.
Vielen Patienten hilft es, ihren Tagesablauf zu strukturieren, sagt Angelika Schlarb von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität Bielefeld. "Es ist wichtig, morgens überhaupt aufzustehen und sich körperlich beziehungsweise sportlich zu engagieren. 30 Minuten schneller Spaziergang helfen dabei so gut wie ein Antidepressivum."
Zudem sollte man sich Aufgaben suchen, die zu bewältigen sind, und Negatives umgehen. Angehörige sollten negative Äußerungen des Depressiven ignorieren und versuchen, auf mögliche positive Tagesereignisse zu sprechen zu kommen.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet auf ihrer Webseite weitere Informationen zur Krankheit. Um herauszufinden, ob man selbst zu einer Depression neigt, kann als erster Schritt der Selbsttest der Stiftung helfen.
Mit Material von dpa
dba