Erste Hilfe Karriere
Der Schimmelpilz der Intrige

Viel Spaß beim Intrigieren: Welche soll Ihre eigene Rolle sein?
Sabine S., Ingenieurin, fragt: "In m einer Abteilung ist die Atmosphäre vergiftet: Wir haben seit vier Monaten einen neuen Chef, der Stellvertreter dagegen ist schon seit sieben Jahren im Amt. Nun macht der Vize seinen Vorgesetzten vor mir und den Kollegen am laufenden Band schlecht. Er behauptet, der neue Chef habe in seiner letzten Aufgabe versagt und die unternehmensinterne Versetzung zu uns sei eine Art Strafexpedition. Überhaupt verstehe der Chef nichts vom Führen und sei fachlich 'die reinste Null'.
Mein Bild vom neuen Chef ist ein anderes: Ich halte ihn für kompetent, ehrlich und geradlinig. Doch ich merke immer mehr: Der Neue gerät ins Trudeln, weil einige Mitarbeiter gegen ihn arbeiten, angestiftet vom Stellvertreter. Meine Frage: Wie verhalte ich mich? Soll ich den Chef unter dem Siegel der Vertraulichkeit auf die Äußerungen seines Vizes hinweisen? Oder laufe ich Gefahr, dass er mich als Petze verurteilt? Und was, wenn der Stellvertreter von meinem 'Verrat' Wind bekäme?"
Was Sie beschreiben, ist in deutschen Betrieben keine Ausnahme: Der Schimmelpilz der Intrige wuchert vor allem in der Führungsetage, wo die Räume für den weiteren Aufstieg eng, die Ellbogen hart und die Sitten rau sind.
Mir kam bei der Lektüre Ihres Falls folgender Gedanke: Kann es sein, dass der Stellvertreter nach sieben Jahren selbst auf eine Beförderung spekuliert hat? Und dass jeder, der ihm nun "vor die Nase gesetzt" wurde, der falsche Kandidat sein musste? Diese gekränkte Eitelkeit könnte die Triebfeder für die Intrige gegen Ihren Abteilungsleiter sein. Statt seinem Vorgesetzten den Rücken zu stärken, streut der Stellvertreter Wort-Arsen aus: Er möchte den Ruf des Chefs vergiften.
Wichtig finde ich: Welche Rolle spielen Sie dabei? Wie haben Sie zum Beispiel bislang reagiert, wenn der Stellvertreter Sie mit solchen Horrorgeschichten behelligt hat? Schon das widerspruchslose Zuhören kann als Zustimmung gewertet werden. Aber was geschähe, wenn Sie geradeheraus sagen: "Wissen Sie, ich habe von unserem neuen Chef eine hohe Meinung. Und die Bedenken, die Sie hier äußern, teile ich nicht. Deshalb bitte ich Sie, solche Kritik künftig direkt dem Chef vorzutragen - und nicht mehr mir." Wie wäre das?
Und jetzt drehen wir das Gedankenrad noch ein Stück weiter: Angenommen, Sie würden das Thema mit Ihren Kollegen besprechen und dabei feststellen, dass mindestens die Hälfte von diesem Kleinkrieg genervt ist - was passierte, wenn all diese Mitarbeiter dem Stellvertreter gegenüber ähnlich reagierten?
Mit diesem Vorgehen könnten Sie das Problem wahrscheinlich abstellen, ohne den neuen Chef direkt anzusprechen. Denn das wäre aus zwei Gründen riskant: Erstens hört es niemand gerne, dass negativ über ihn gesprochen wird; der Bote wird oft für die Botschaft geköpft. Und zweitens müssten Sie mit der Frage rechnen: "Haben Sie meinem Stellvertreter denn einmal gesagt, wie Sie über seine Aussagen denken?" Wenn Sie jetzt den Kopf schütteln müssten, wäre das kein Ruhmesblatt für Sie.
Die richtige Reihenfolge: Weisen Sie selbst die negativen Äußerungen über Ihren Chef zurück. Bringen Sie möglichst viele Kollegen dazu, genauso zu reagieren. Und überlegen Sie erst dann, wenn all das nicht fruchtet, Ihren Chef anzusprechen - dann aber nicht als Einzelne, sondern in einer Gruppe von Kollegen. Das verleiht Ihrer Äußerung mehr Glaubwürdigkeit und schützt Sie vor Repressalien - auch solchen des Stellvertreters, der offenbar keine Skrupel kennt.