Frust im Job
"Hauptsache, ihr werdet billiger"
Schon von ihrer Ausbildung her sind viele HRler für komplexe Gestaltungsaufgaben kaum gerüstet. Psychologen, Juristen, Geisteswissenschaftler und nicht allzu ehrgeizige Betriebswirte wählen den Hafen Personal, um nicht zu eng mit dem operativen Geschäft in Berührung zu kommen. "Die Auffassung, in erster Linie den Mitarbeitern Gutes tun zu wollen, ist noch weit verbreitet", sagt Kai Anderson von der auf Personal spezialisierten Unternehmensberatung Promerit.
Über eine "entsetzliche Deprofessionalisierung" schimpft Christian Scholz. Obwohl wie stets eine Spur zu laut, legt der Saarbrücker Professor für Personalmanagement den Finger in eine schon lange schwärende Wunde: Der seit Jahrzehnten mit quengeliger Wehleidigkeit vorgetragene Anspruch der HRler, als strategischer Partner im Konzern wahr- und ernst genommen zu werden, ist deshalb noch immer Wunschdenken.
Strategische Partner, die keiner sieht
Zudem hat eine Dekade des Rationalisierens die Schlagkraft der Personaler kräftig dezimiert, sagt Sven Fitz, der als Berater bei Steria Mummert den Zustand des deutschen Personalwesens untersucht hat: "Die Mannschaften wurden stark verkleinert, die Übriggebliebenen ertrinken in Bürokratie."
So igelt sich mancher in seiner kleinen, sehr eigenen Welt ein. Eine aktuelle Studie der Fachhochschule Koblenz zeigt die bizarre Kluft zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung der Personaler: Fast 70 Prozent der HR-"Kunden" (im Wesentlichen Mitarbeiter) sehen in der Personalabteilung "administrative Experten", nur jeder Dritte betrachtet sie als "strategischen Partner". Die HRler selbst nehmen das genau umgekehrt wahr.
Zur Schwäche der Personaler trägt bei, dass Umfragen zufolge nur 44 Prozent der Unternehmen dem Ressort einen Sitz in Vorstand oder Geschäftsführung einräumen. Abgeschnitten vom Kreis der wirklich Mächtigen, lassen sich viele von ihnen leicht mundtot machen mit dem Vorwurf, sie verstünden nichts vom operativen Geschäft.
Tatsächlich sind Manager, die auch außerhalb der Personalfunktion gearbeitet haben, immer noch eher die Ausnahme. Führungskräfte wie Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth etwa, der von 27 Jahren im Konzern nur 5 in Personalfunktionen verbrachte, sind im HR-Bereich Exoten.
Frust schmälert den Firmengewinn
Kein Wunder, dass Vorstandschefs verstärkt klassische Strategieberatungen beauftragen, wenn es wirklich wichtige HR-Probleme zu lösen gilt. Allzu oft tun McKinsey, Boston Consulting & Co. dann genau das, was die Personaler jahrelang vergeblich forderten - doch weil ihnen Nähe zur Spitze und unternehmerische Perspektive fehlten, ohne Erfolg. Geringes Selbstvertrauen und schlechtes Image lähmen das HR-Ressort nachhaltig: "Die ganze Zunft leidet an kollektiver Kränkung", sagt eine Personalmanagerin.
Wenn das so weitergeht, kann sich die Funktion bald gänzlich abschaffen, externe Dienstleister für alle Aufgaben von der Gehaltsabrechnung bis zum Komplettprogramm für die Führungskräfteentwicklung stehen längst bereit.
Oder die Personaler nehmen die Herausforderungen endlich an: Leitplanken zu schaffen, innerhalb derer die Belegschaft selbstbewusst und produktiv arbeiten kann. Lohnenswert wäre es: Eine Studie der Universität St. Gallen zeigt, dass Begeisterung und Identifikation der Mitarbeiter direkt auf den Firmenerfolg durchschlagen.
Den umgekehrten Fall beschreibt die Autorin der Studie, Heike Bruch, so: "Mitarbeiter leiden unter schlechter Führung, Überlastung und ständigen Veränderungen." Das sorgt für Frust - und schmälert den Firmengewinn.
Ein Ziel könnte darin liegen, die Aufgabe der "Mitarbeiterförderung" in den Job Descriptions der Führungskräfte vom hintersten Platz weiter nach vorn zu rücken: "Nicht wenige Manager sagen, dass sie ihre Leute nur einmal im Jahr persönlich sprechen", kritisiert Joachim Bohner, der bei Russell Reynolds die Manager-Assessments verantwortet. "Und da sind die auch noch stolz drauf."
Ein anderes Ziel: Klare Kompetenzen definieren, die beschreiben, welche Mitarbeiter gesucht werden - damit nicht jeder Linienmanager bei Einstellungen nur seinen eigenen Vorlieben huldigt.
Rahmenbedingungen für effizientes Arbeiten und zufriedene Mitarbeiter setzen
Auch das Leistungsprinzip müsste von den HR-Experten häufig konsequenter durchgesetzt werden. "Doch vor der meritokratischen Auswahl schrecken die meisten Personaler zurück", sagt Manuel Hoffmann von der Personalberatung BaileyHoffmannCurcio. So werden engagierte Mitarbeiter demotiviert, und viele Firmen bleiben auf der Führungsebene im Mittelmaß stecken.
Vielleicht reicht es auch zu beherzigen, was Wilfried Porth, der schwäbisch-nüchterne Chefpersonaler bei Daimler, als vornehmste HR-Aufgabe definiert: "Die Personalabteilung muss die Rahmenbedingungen für effizientes Arbeiten und zufriedene Mitarbeiter setzen. Punkt." Nicht mehr, nicht weniger.
Das klingt schlicht, ist aber selbst in ansonsten professionell gemanagten Großkonzernen keine Selbstverständlichkeit. Das zeigt das Beispiel HypoVereinsbank (HVB).
Nach der Übernahme durch die italienische kündigte deren Chef Alessandro Profumo den ganz großen HR-Wurf an: Plötzlich stand Transparenz hoch im Kurs, der Vorstand ließ einen Kanon gemeinsamer Werte entwickeln und auf die Mitarbeiterausweise drucken. Eine schöne Sache, doch in der Praxis blieben wichtige Dinge liegen: Die Personalabteilung zeigte wenig Engagement, wenn es etwa darum ging, Mitarbeiter aufgelöster Abteilungen in neue Positionen zu bringen; das Talentmanagement blieb ausbaufähig und die HVB auch strategisch Unicredit-Tochter statt Teil einer wahrhaft europäischen Großbank. "Man muss die Ankündigungen auch leben, sonst bleiben sie nur Schmuck am Nachthemd", sagt ein HVBler. Viele gute Leute gingen von Bord, die Restrukturierungen halten bis heute an und sorgen in der Belegschaft für Stimmungstiefs.
Nach dem Abgang von Profumo wurden Human-Resources-Budgets gekürzt, über Werte sprach kaum noch jemand. Personal-Bereichsvorstand Oliver Maassen warf entnervt hin, und der Betriebsrat beklagt eine extreme Zunahme von Burn-out-Opfern.