Burnout bei Studenten
Absturz der Überflieger
Manchmal sitzt Patrick* in seiner Mansarde in Braunschweig und denkt, dass er nichts kann, nichts bringt, nichts wert ist. Du wirst dein Studium nicht schaffen, prophezeit er sich dann, du wirst keinen Job bekommen, du wirst zum Sozialfall werden. Du wirst keine Frau finden und deine Freunde verlieren. Dein Leben ist düster, sinnlos und überflüssig geworden. Warum, fragt er sich dann sogar manchmal, warum sollte er eigentlich noch weitermachen?
Patrick ist ein hübscher Mann mit kurzen dunkelblonden Haaren und braunen Augen. Ein kluger Kopf, der in der Schule zu den Besten gehörte und gern ausging. Doch dann schlich sich etwas in seinen Kopf. Jetzt ist die Vergangenheit nichts mehr wert, die Zukunft nur noch bedrohlich und die Gegenwart voller Zweifel und Angst.
Woran es liegt, dass er jetzt so traurig und kraftlos ist? Wie es kommen konnte, dass er derzeit kaum noch rauskommt aus diesem schwarzen Loch? Patrick muss nicht allzu lange überlegen. Das Studium, sagt er. Das Studium sei der Hauptgrund. Der Stress, die Geschwindigkeit, das Anonyme. Die Angst, an der Universität nicht die gleiche Leistung bringen zu können wie damals an der Schule.
Es sind Ängste und Sorgen, die Zehntausende Studenten plagen, und häufig wachsen sie sich zu tiefgehenden seelischen Nöten aus. Rund 23.200 Studierende haben 2010 die psychologischen Beratungsstellen des deutschen Studentenwerks besucht, die Zahl der Beratungen hat sich seit 2003 verdoppelt. Die Ratsuchenden berichten von chronischer und bleierner Müdigkeit, von scheinbar grundloser Traurigkeit, von Konzentrationsschwächen, von der plötzlichen Angst vor Mitmenschen.
"Es kann jeden treffen"
Viele leiden unter Burnout, einem Leiden, das zu einer modernen Epidemie geworden ist. Es hat viele Namen, Erschöpfungssyndrom, Anpassungsstörung, Depression, und die Patienten, die daran leiden, sind auffallend jung: Jeder zweite Deutsche, bei dem erstmals eine Depression festgestellt wird, ist unter 32. "Es kann jeden treffen", sagt Maria Jockers-Scherübl, Psychiaterin an den Oberhavelkliniken bei Berlin, "und der Bachelor begünstigt das Krankwerden, weil im Studium zu viel in zu kurzer Zeit gefordert wird."
Es sind oft die Ehrgeizigen, die Perfektionisten und Vielleister, die am Burnout erkranken. Menschen, die ein anspruchsvolles Fach wählen, nebenbei in der Kneipe jobben, in der vorlesungsfreien Zeit Praktika ablegen und zusätzlich einen Sprachkurs in Wirtschaftsenglisch machen. Es sind Menschen wie Patrick.
Es war im vierten Semester Maschinenbau, als sich sein Leben verdüsterte. Er fühlte sich nur noch wie eine Matrikelnummer unter vielen, wie ein Automat, der Creditpoints zu hamstern hatte und allzeit prüfungsfähig sein musste: in höherer Mathematik, in technischer Mechanik, in Werkstoffkunde und all den anderen Fächern, mit denen er sich nie so richtig hatte anfreunden konnte. Patrick wurde langsam klar, dass sich da ein gewaltiger Berg vor ihm aufgebaut hatte, ein Berg, den er nicht bezwingen konnte. Er probierte es trotzdem. Und stürzte ab.
Abschlussarbeit im Duracell-Häschen-Modus
"Oft steht kurz vor dem absoluten Ausbrennen die Erkenntnis, dass man eben nicht alles schaffen kann oder dass andere besser sind", sagt Bernd Nixdorff, Psychologe an der Uni Hamburg; seit 20 Jahren berät er Studenten.
So war es auch bei Steffi*. Die 25-Jährige studiert im zehnten Semester Geschichte und Geografie auf Lehramt in Berlin. Mitte vergangenen Jahres kam sie - eigentlich gut erholt - von einem Auslandssemester in Portugal zurück. Sie hatte große Pläne. Sie wollte ihr Studium innerhalb eines Jahres zu Ende bringen. Acht Hausarbeiten, vier Modulprüfungen und die Bachelor-Arbeit standen an. Dazu noch 20 Stunden die Woche als studentische Hilfskraft jobben, Archiv-Recherchen für Doktoranden durchführen.
Zu Silvester fühlte sie sich urlaubsreif und müde, aber sie wollte unbedingt fertig werden. Sie schrieb wie ein Duracell-Häschen an ihrer Abschlussarbeit. Ende Januar war die Kraft aufgebraucht. Sie spürte, dass sie ihren Zeitplan nicht würde einhalten können. Steffi konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie war aggressiv, stritt ständig mit ihrem Freund und den Mitbewohnerinnen, wusste nicht, was es war, das sie so reizbar machte. "Das war nicht mehr ich", sagt sie heute.
(*) Namen geändert