Rapidshare und Co.
Lauter graue Schafe

Rapidshare: Das Grundprinzip des Filehostings ist offen für Missbrauch
Für den Anwalt Daniel Raimer ist die Sache klar: Die Firma Rapidshare, die er vertritt, stehe zu Unrecht in der Kritik. Rapidshare wird von der Gema vorgeworfen, die Verbreitung von Raubkopien zu ermöglichen.
Die Gema, die wegen Verletzung von Urheberrechten vor dem Oberlandesgericht Hamburg gegen Rapidshare geklagt hatte, begrüßte eine Presseerklärung des Gerichts schon mal als klares Urteil. Der Filehoster sei vom Gericht angehalten worden, in Zukunft selbst dafür zu sorgen, dass über den Dienst kein Urheberrecht mehr gebrochen wird. Raimer und Rapidshare entdecken in den bisher bekannten Teilen des Urteils hingegen, dass der Dienst auf dem Boden des Rechts agiere. Haben also alle gewonnen?
Es geht dabei um weit mehr als nur konkret verletzte Urheberrechte. Es geht um die generelle Frage, wer eigentlich dafür haftbar zu machen ist, wie Onlinedienste genutzt werden.
Das deutsch-schweizerische Unternehmen Rapidshare ist ein sogenannter Filehoster, also eine Firma, auf deren Servern Internetnutzer Daten ablegen und zugänglich machen können. Das ist ein wichtiger Aspekt dessen, was man heute Cloud Computing nennt, Auslagerung von Speicherung und Rechenleistung in die Datenwolke.
Das Problem ist, dass sich die Dienste eines Filehosters auch nutzen lassen, um illegal Inhalte zu verbreiten. Die schwarzen Schafe unter den Hostern beteiligen sich sogar aktiv daran - genau das wird den Betreibern von Megaupload und kino.to vorgeworfen. Doch was für eine Art Filehoster ist Rapidshare?
Kritiker des Dienstes behaupten, er sei einer der größten Raubkopie-Verteiler überhaupt. Rapidshare sagt, seine Dienste würden nur zu solchen Zwecken missbraucht, man wehre sich dagegen. Jetzt kommt es darauf an, was das OLG Hamburg wirklich sagt - und was es von Rapidshare verlangt. Davon hängt auch ab, ob Rapidshare vor dem Bundesgerichtshof in Revision geht.
Seit sich ein wesentlicher Teil der unlizenzierten Verteilung urheberrechtlich geschützter Dateien auf Filehoster verlagert hat, stehen diese ständig unter Feuer. Das liegt an ihrer Schlüsselstellung in der Verteilungskette.
Die Abfolge einer illegalen Datei-Verteilung über Filehoster:
- Der Raubkopierer schafft eine unlizenzierte Kopie, hinterlegt sie auf einem Filehoster-Server und erhält eine Adresse (URL), über die er Zugriff auf die Datei hat. Jetzt ist die Datei abrufbar, wenn man ihre URL kennt. Einfach "finden" kann man die Datei allerdings nicht: Die Hoster erlauben kein Durchsuchen der Datenbanken.
- Der Kopierer veröffentlicht die bis dahin nur ihm bekannte Adresse auf einer Seite, die solche Links gesammelt vorhält (so wie bis zum Herbst 2011 das Portal kino.to).
- Der Downloader sucht sich so einen Link, um die Datei vom Server eines Filehosters herunterladen zu können. Neben Linksammlungen gibt es dafür auch spezialisierte Suchmasken, mit deren Hilfe man diverse solcher Sammlungen und einschlägige Blogs nach Links durchsuchen kann.
Unstrittig ist, dass hier Urheberrechte verletzt werden. Aber wer ist dafür haftbar zu machen? Die Betreiber von Linksammlungen verweisen darauf, sie selbst böten gar keine Downloads an. Die Filehoster sagen, ihre Server seien nur Parkplätze: Rechtsbrüche begingen diejenigen, die Raubkopien produzieren, hinterlegen und den Link öffentlich machen.
Ist das, was Filehoster tun, eine Art Beihilfe?
"Gegen solche Leute", sagt Daniel Raimer, "geht Rapidshare auch proaktiv vor." Wie alle Hoster weigere sich Rapidshare, die Inhalte seiner Kundenkonten zu überwachen. Aber die Firma durchsuche Linksammlungen nach Rapidshare-Links, lösche Dateien, wenn das angezeigt sei, und setze Kunden, die dreimal gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstießen, auch vor die Tür. "Die sind dann erst mal frustriert und wechseln zu einem anderen Dienst."
Von denen gibt es viele. Eines der Probleme ist, dass man dabei Äpfel mit Birnen vergleicht: Es gibt völlig seriöse Angebote darunter und offen kriminelle.
Die spektakulären Schließungen von kino.to (2011) und Megaupload (2012) haben die im Graubereich agierende Szene aufgerüttelt. Zahlreiche Dienste schlossen, bevor sie selbst zu Zielen der Fahnder werden konnten, andere schränkten ihre Dienstleistungen so ein, dass Filesharing über ihre Server unattraktiv oder unmöglich wurde. Auch populäre Linksammlungen verschwanden aus dem Netz.
Für die verbliebenen Hoster bedeutete das eine plötzlich erhöhte Nachfrage. Auch Rapidshare erlebte einen Ansturm von Downloadern und reagierte darauf mit einer deutlichen Drosselung der Daten-Durchsatzraten, so dass sich größere Dateien derzeit nur frustrierend langsam herunterladen lassen. Laut Raimer nicht nur eine Maßnahme, mit der die Server geschützt werden sollen, sondern auch Rapidshare selbst - vor den falschen Kunden. An Filesharern habe die Firma kein Interesse.
Bei der Gema sieht man das anders. Der Rechteverwerter der Musikindustrie versteht das Hamburger Urteil so, dass "Rapidshare wirksame Maßnahmen gegen die Nutzung illegaler Inhalte ergreifen muss. Die von Rapidshare bislang getroffenen Maßnahmen wurden für nicht ausreichend gehalten", heißt es in einer Stellungnahme der Gema.
Man kann das Urteil des OLG, soweit es bisher bekannt ist, so verstehen. In der Pressemitteilung des Gerichtes heißt es:
"Als Störer kann auch derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, welcher den entsprechenden Online-Speicherplatz zur Verfügung stellt. Dies jedenfalls dann, wenn sein Geschäftsmodell strukturell die Gefahr massenhafter Begehung von Urheberrechtsverletzungen in einem Umfang in sich birgt, der die Erfüllung von Prüf- und Handlungspflichten zumutbar macht."
Noch ist nichts wirklich klar
Das Urteil scheint zu besagen, dass der eigentliche Kopierer und die Linksammlung haftbar zu machen sind, unter Umständen aber eben auch der Hoster. Jeder Filehoster ermöglicht "strukturell die Gefahr (...) von Urheberrechtsverletzungen" - selbst YouTube oder der Online-Festplattendienst Dropbox, die sich fraglos um Legalität bemühen. Wann ist die Schwelle erreicht, ab der man haftbar gemacht wird? Was sind Prüf- und Handlungspflichten, und wann greifen die? Bevor Rapidshare dazu Stellung nimmt, will Anwalt Raimer das Urteil erst sehen.
Die Rechteinhaber verstehen es schon jetzt so, dass der Filehoster nun nach Links suchen und diese löschen müsse. Wie das gehen solle, fragt Raimer da: Wenn man Links automatisch lösche, lösche man auch legitime, legale Nutzungen. Also bliebe nur die Prüfung durch Personal. Das Gericht habe aber schon in der mündlichen Verhandlung signalisiert, dass es verstehe, dass man so nicht das gesamte Internet kontrollieren könne.
Das nicht - aber Häufungen solcher Links könnte man kontrollieren. Sogar Megaupload machte einige Wochen vor der Schließung Download-Links unbrauchbar, die von bestimmten Linksammelseiten kamen.
Noch immer entfallen angeblich über 50 Prozent des gesamten Internetverkehrs auf nicht lizenzierten Film-Datenverkehr. Etwas anders sieht das nur dort aus, wo die Industrie wirklich ernstzunehmende legale Angebote macht. In den USA verursacht die Onlinevideothek Netflix dem Netzanalyse-Unternehmen Sandvine zufolge inzwischen ganz allein rund 30 Prozent des Datenverkehrs. Nicht lizenzierte Inhalteverbreitung ist dort wegen Netflix, Hulu und ähnlicher Angebote auf unter 20 Prozent gefallen.