CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer
Aufgehalten

Annegret Kramp-Karrenbauer
Das hat sie nun davon, könnte man sagen. Nur weil sich Annegret Kramp-Karrenbauer nach ihrer Wahl zur CDU-Chefin den Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak als neuen Generalsekretär aussuchte, musste die Junge Union am Wochenende einen neuen Vorsitzenden wählen. Ziemiak hatte die Nachwuchsorganisation von CDU und CSU seit September 2014 angeführt.
Der neue JU-Chef Tilman Kuban, nicht gerade der Wunschkandidat der CDU-Führung, lederte nach seiner Wahl gleich mal los in Richtung Kramp-Karrenbauer: "Ich würde mir wünschen, dass Friedrich Merz Teil des Bundeskabinetts wird", sagte er - und fügte hinzu: "Ich halte es allerdings für einen großen Fehler, sich hinzustellen und zu sagen, man hätte im Kabinett durchgezählt, und es sei kein Platz da".
Mit diesem Argument hatte Kramp-Karrenbauer die Minister-Ambitionen von Merz, der ihr im Rennen um den Parteivorsitz knapp unterlegen war, zurückgewiesen.
Die CDU-Chefin habe "einen guten Start hingelegt", sagte Kuban, "aber wir erwarten jetzt auch von ihr, dass sie die nächsten Schritte geht". Man werde notfalls ein unbequemer Begleiter von Kramp-Karrenbauers Politik sein, betonte der neue Mann an der JU-Spitze: "Da wird die Junge Union sie auch treiben."
Nun ist ein bisschen Aufmüpfigkeit gegenüber der Mutterpartei und deren Führung auch beim Unionsnachwuchs normal - aber der Vorsitzenden tun diese Unfreundlichkeiten im Moment weh. Kramp-Karrenbauer, gerade einmal 100 Tage im Amt, erlebt zum ersten Mal seit ihrer Wahl im vergangenen Dezember eine kleine Krise. Der unaufhaltsame Aufstieg ist ins Stocken geraten.
Die aktuellen Zahlen wirken alarmierend: Eine Mehrheit (44 Prozent) ist laut ZDF-Politbarometer der Meinung, dass AKK die CDU nicht in eine gute Zukunft führen wird. Sogar 51 Prozent sprechen ihr laut ARD-Deutschlandtrend die Eignung als Bundeskanzlerin ab. In beiden Umfragen sind Kramp-Karrenbauers Beliebtheitswerte deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig liegen die Werte für CDU und CSU stabil um die 30 Prozent - weit weg von dem, was man sich in der Union wünscht.

Kramp-Karrenbauer, Merkel
Dabei lief es anfangs ja sehr gut für die Neue: Die Partei driftete nach ihrer Wahl nicht auseinander, wie mancher nach dem hauchdünnen Erfolg über Merz und entsprechenden Warnungen seiner Unterstützer befürchtet hatte. Und von der CSU, die im vergangenen Frühsommer noch den Bruch mit der Schwesterpartei heraufbeschwor, ist nicht ein böses Wort in Richtung der neuen CDU-Chefin überliefert.
Was ihr größter Fehler seit dem Amtsantritt gewesen sei, wurde AKK gerade von der "Rheinischen Post" gefragt. Ihre Antwort: "Bestimmt sind auch Fehler passiert, aber keiner hat zu größeren Verwerfungen geführt."
Aber warum sinken ihre persönlichen Werte dann trotzdem?
Zum einen hat das wohl damit zu tun, dass Kramp-Karrenbauer in den vergangenen Wochen zum ersten Mal als Parteivorsitzende angeeckt ist: Nach ihrem Toiletten-Witz zum Thema drittes Geschlecht bei einer Fastnachtsveranstaltung im badischen Stockach gab es eine öffentliche Debatte, die Kramp-Karrenbauer ungläubig verfolgte, weil sie die Kritik nicht nachvollziehbar fand. Schließlich reagierte die CDU-Chefin mit einer Art Vorwärtsverteidigung nach dem Motto: alle mal abregen!
Stimmenfang #90 - Konservativer als Merkel? Die 100-Tage-Bilanz der Annegret Kramp-Karrenbauer

- Abonnieren
Die Vorsitzende zeigte damit Autorität und ihr konservatives Gesicht, was parteiintern hilft. Aber wer außerhalb der Unionsparteien Angela Merkel schätzt, die wohl einen solchen Witz weder gemacht noch danach darauf beharrt hätte, dürfte irritiert gewesen sein.
Kramp-Karrenbauers Strategen in der CDU-Zentrale haben offenbar beschlossen, dass ihnen die breite Bevölkerung fürs Erste weniger wichtig ist als die eigene Basis. Tatsächlich ist unmittelbar keine Wahl in Sicht, der sich die Vorsitzende stellen muss - aber innerhalb der Partei hat sie das Merz-Lager noch lange nicht von sich überzeugt.
So ist auch zu erklären, wie Kramp-Karrenbauer am Samstag vor den JU-Delegierten über die Schüler sprach, die seit Wochen freitags während der Schulzeit für mehr Klimaschutz demonstrieren. Sie hätte ihren inzwischen erwachsenen Kindern dafür keine Entschuldigung geschrieben, sagte die CDU-Chefin unter johlendem Beifall - Merkel hatte kürzlich große Sympathie für die "Fridays for Future"-Demonstrationen geäußert.
Kritik an ihrer Macron-Antwort aus den eigenen Reihen
Kramp-Karrenbauer will aber die Kanzlerin perspektivisch auch im Amt der Regierungschefin ablösen - und dafür kann sie sich sinkende Umfragewerte nicht erlauben.
Für die könnten wiederum auch kleine Fehler verantwortlich sein, wie sie der CDU-Chefin kürzlich in ihrer Antwort auf die europapolitischen Vorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterliefen: Dass sie beispielsweise die Besteuerung der EU-Beamten einforderte, obgleich diese bereits existiert, sorgte selbst in den eigenen Reihen für Irritationen. Gleiches gilt für den Vorschlag, gemeinsam mit Frankreich einen Flugzeugträger zu bauen, während die Koalition gleichzeitig bei der Bundeswehr knausert.
Das Tempo, in dem die langjährige saarländische Ministerpräsidentin Partei und Öffentlichkeit bespielt, ist rasant. Ständig ist sie unterwegs - dazu kommt ihr außenpolitischer Nachholbedarf. Die CDU-Chefin war beim Weltwirtschaftsforum in Davos, auf der Münchner Sicherheitskonferenz, arbeitet nebenher an ihrem Englisch. Dazu kommt, dass Kramp-Karrenbauer und ihr Team im Konrad-Adenauer-Haus nach 100 Tagen längst nicht so eingespielt sind wie Merkel seit Jahren mit ihren engsten Mitarbeitern.
Merz in Lauerstellung
Und dann ist da noch Friedrich Merz. Die Parteichefin lobt ihn zwar bei jeder Gelegenheit, auch dafür, dass er nun stellvertretender Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats wird. Aber dass Merz sich weiter in Lauerstellung befindet, ist auch Kramp-Karrenbauer nicht entgangen.
Natürlich hat sie weiterhin gute Chancen auf die Nachfolge von Merkel im Kanzleramt: Entweder noch vor Ablauf der Legislaturperiode oder als Spitzenkandidatin 2021 im Falle eines Wahlsiegs. Aber einen Automatismus gibt es natürlich nicht. Zunächst kommt es auf die Ergebnisse der Unionsparteien bei den vier Landtags- und zahlreichen Kommunalwahlen sowie bei der Europawahl in diesem Jahr an.
Der ehemalige JU-Chef Ziemiak wird Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretär dabei nach Kräften unterstützen. Auf die Unterstützung seines Nachfolgers sollte sie sich nicht verlassen.