GroKo-Klausur
Das große Klammern

Sozialdemokrat Mützenich (v.l.), CDU-Mann Brinkhaus, Christsozialer Dobrindt
Die Große Koalition braucht in diesen Tagen vor allem Bilder und Botschaften. Als Bild: Wir sind noch da. Als Botschaft: Wir gehen auch so schnell nicht weg.
Auf eine richtige Pressekonferenz zum Abschluss der gemeinsamen Klausur der Fraktionsvorstände hat man jedenfalls verzichtet, für Kameras und Fotografen ist dafür umso mehr Platz im Foyer. Gerade mal drei Fragen sind nach den Statements von Ralph Brinkhaus, Chef der Unionsfraktion, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und dem kommissarischen SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zugelassen.
Je turbulenter es vor allem bei SPD und CDU zugeht nach dem Doppel-Rücktritt von Andrea Nahles als sozialdemokratische Fraktions- und Parteichefin und den Debatten um die christdemokratische Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, umso mehr klammern sich die Bündnispartner aneinander. Den Bruch der Koalition will in den GroKo-Fraktionen kaum jemand, erst recht keine Neuwahlen. Bei dem gemeinsamen Abendessen am Donnerstagabend in einem Restaurant am Berliner Landwehrkanal und dem offiziellen Teil der Klausur am Freitagvormittag ist man deshalb noch mal ein bisschen enger zusammengerückt.
Das GroKo-Klima scheint sich zu bessern
Die SPD ist Gastgeber der Klausur, eigentlich wollten die Fraktionsspitzen sich in Bad Neuenahr-Ahrweiler treffen, im Wahlkreis von Nahles - nach ihrem Rücktritt wurde die Klausur kurzfristig nach Berlin verlegt. Interimsfraktionschef Mützenich spricht deshalb als Erster. Er warnt vor "Brandbeschleunigern" in der Politik, die es international, aber auch in Deutschland gebe. Er wünsche sich, dass der "Wert von gutem Regieren" und von Kompromissen mehr gewürdigt würden, sagt Mützenich.
Die Fraktionsspitzen einigten sich auf drei Beschlüsse zu Mobilfunk, Wachstum und Pflege. Sie fordern von der Bundesregierung etwa die Gründung einer staatlichen Mobilfunk-Gesellschaft, um immer noch bestehende Funklöcher zu schließen. Zudem soll der Solidarzuschlag zum 1. Januar 2021 für 90 Prozent der Steuerzahler abgeschafft werden.
Zweieinhalb Wochen nach der Europawahl stand die Klausur im Schatten der herben Wahlniederlagen und miserablen Umfragen für Union und SPD. Besonders stark leiden die Sozialdemokraten, die aktuell bundesweit nur noch auf zwölf bis 15 Prozent kommen. Nach dem Doppelrücktritt von Nahles steckt die SPD auch noch in einer Führungskrise. Und die könnte bis zum Dezember dauern, wenn auf einem Parteitag die neue Führung gewählt werden soll.
Doch so paradox es auch klingen mag: Die Zusammenarbeit von Union und SPD scheint sich zu verbessern. Just in der Woche nach dem Nahles-Abgang einigte man sich auf ein achtteiliges Gesetzespaket zu Migration und Fachkräftezuwanderung. Führende Sozialdemokraten loben in diesen Tagen das Klima in der Koalition. Allen sei bewusst, dass das Bündnis nur noch eine Zukunft habe, wenn man wirklich was hinkriege, heißt es.
Im Unionsteil der GroKo geht jedenfalls zunehmend die Angst um, dass es sonst bald mit dieser Regierung zu Ende sein könnte. Zwar wollte ursprünglich kaum einer bei CDU und CSU ein abermaliges Bündnis mit der SPD, aber nun setzt die Erkenntnis ein: Es könnte noch übler kommen. Bei Neuwahlen dürften sich Umfragen zufolge nämlich die Grünen Hoffnungen auf Platz eins und damit das Kanzleramt machen.

Fraktionschefs bei Statement im Reichstag
Dann doch lieber so lange wie möglich mit den Sozialdemokraten weiter regieren. Von einer "harmonischen Klausurtagung" spricht Unionsfraktionschef Brinkhaus, CSU-Landesgruppenchef Dobrindt von einer "Klausur auf Augenhöhe".
Es liegt an diesem Freitag übrigens genau ein Jahr zurück, dass die Abgeordneten von CDU und CSU zum ersten Mal in der Geschichte der Union separate Sitzungen auf der Fraktionsebene abhielten. Der Streit um die vom christsozialen Innenminister Horst Seehofer geplanten Zurückweisungen an der Grenze drohte die Union im Frühsommer 2018 zu spalten, die SPD schaute seinerzeit fassungslos zu. Inzwischen vertragen sich CDU und CSU wieder - jetzt gibt es wieder ernsthafte inhaltliche Konflikte mit dem Koalitionspartner.
Streitthemen? Lieber ein andermal
Auf der Klausur wurden die allerdings ausgeblendet. Die Grundrente, bei der die Union das Konzept von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil strikt ablehnt? War kein Thema. Der Klimaschutz, wo die Pläne ebenfalls weit auseinandergehen? Das sei ein Querschnittsthema, das immer mit besprochen werde, heißt es reichlich nebulös. Wie die Differenzen überwunden werden sollen, damit die SPD sich bei der Halbzeitbilanz für eine Fortsetzung der Koalition entscheidet, ist unklar.
Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU), so wird von Teilnehmern der Klausur berichtet, habe jedenfalls dazu aufgerufen, künftig mehr die Interessen des Koalitionspartners mit zu bedenken. Damit am Ende jeder vor seine Anhänger treten und sagen könne: Das hier haben wir erreicht.
Die GroKo will sich also etwas mehr Großzügigkeit gönnen. Aber ob das reicht, um bis 2021 zusammenzubleiben?
Das soll jedenfalls die Botschaft sein. Sozialdemokrat Mützenich findet, "dass wir heute den Korb der Halbzeitbilanz gefüllt haben". CSU-Mann Dobrindt sagt: "Ich gehe davon aus, dass wir auch in den kommenden Monaten gut zusammenarbeiten." Und Christdemokrat Brinkhaus meint: "Wir haben Lust darauf weiterzumachen."
Dafür gibt es schon am Sonntagabend wieder Gelegenheit: Die Fraktions- und Parteivorsitzenden treffen sich mit Regierungschefin Angela Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz zum nächsten Koalitionsausschuss.
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