Die Energiewirtschaft befindet sich im Umbruch - SPIEGEL ONLINE zeigt die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Energieträger.
Erdöl
Plus:
Erdöl
ist der Schmierstoff industrieller Volkswirtschaften. In Deutschland deckt Öl rund
35 Prozent des Energiebedarfs - so viel wie kein anderer Rohstoff. Im Verkehrssektor gibt es momentan
kaum Alternativen zu Öl: Das bestehende Tankstellennetz ist auf Benzin und Diesel ausgerichtet, die heute gängigen Motoren fahren fast nur mit diesen beiden Treibstoffen.
Minus: Der Ölpreis ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen - und mit ihm der Spritpreis. Autofahrer mussten zeitweise mehr als 1,50 Euro für Benzin zahlen. Die deutsche Volkswirtschaft verliert dadurch
Milliardenbeträge, denn das Land ist fast völlig von Importen abhängig. Weltweit liegen die meisten Ölvorkommen in politisch
heiklen Regionen wie dem Nahen Osten, Russland, Venezuela oder Nigeria. Versorgungskrisen kann man daher nicht ausschließen. Darüber hinaus ist Erdöl ein
endlicher Rohstoff: Die bekannten Vorkommen gehen langsam zur Neige. Große neue Felder wurden in den vergangenen Jahren kaum entdeckt - und wenn, dann nur in schwierig zu erschließenden Gebieten wie der Arktis. Hinzu kommt die CO2-Problematik: Wenn Öl verbrannt wird, entsteht das Klimagas
Kohlendioxid
.
Erdgas
Plus:
Erdgas
ist der klimafreundlichste fossile Energieträger - bei der Verbrennung entsteht
weniger CO2 als bei Kohle oder Öl. Außerdem halten die Vorräte noch eine Weile: Die Reichweite der Gasvorkommen wird auf rund
60 Jahre geschätzt, bei Öl sind es nur 40 Jahre.
Verfeinerte Fördertechniken machen zudem den Zugriff auf große neue Gas-Reservoirs möglich. Ein weiterer Vorteil: Gas kann einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung leisten. Denn Gaskraftwerke lassen sich schnell hoch- und runterfahren - diese
Flexibilität hilft, die Schwankungen beim Windstrom auszugleichen.
Minus: Weltweit verfügen nur wenige Länder über Gasvorkommen. Entsprechend groß sind die
Abhängigkeiten - Deutschland bezieht rund 40 Prozent seines Erdgases aus Russland. Problematisch ist außerdem die noch immer weit verbreitete
Bindung an den Ölpreis: Je teurer Erdöl wird, desto teurer wird auch Gas. Stromkonzerne klagen bereits, dass sich Gaskraftwerke kaum mehr rentieren. Private Haushalte kennen dasselbe Problem beim Heizen - Gas ist
kaum günstiger als Öl. Auch beim Autofahren stellt Erdgas keine Alternative dar: Der aktuelle Preisvorteil gegenüber Benzin und Diesel liegt nur an der
steuerlichen Begünstigung.
Kohle
Plus: Kohle gibt es fast überall auf der Welt - einseitige Importabhängigkeiten wie beim Gas sind deshalb nicht zu befürchten. Auch Deutschland verfügt über nennenswerte Ressourcen: Braunkohle lässt sich
ohne Subventionen fördern, für Steinkohle ist dies bei weiter steigenden Preisen zumindest denkbar. Außerdem reichen die Vorräte so lange wie bei keinem anderen fossilen Energieträger: Schätzungen gehen von rund
200 Jahren aus. Kohle eignet sich vor allem zur Stromerzeugung in der Grundlast - rund
50 Prozent des deutschen Stroms stammen aus
Kohlekraftwerken
.
Minus: Kein Energieträger ist so klimaschädlich wie Kohle. Bei der Verbrennung entsteht rund
doppelt so viel CO2 wie bei Gas. Problematisch könnte dies vor allem dann werden, wenn man bestehende Atomkraftwerke durch neue Kohlekraftwerke ersetzt - oder wenn Elektroautos künftig in großem Stil Kohlestrom tanken. Bedenklich sind außerdem die
Arbeitsbedingungen, unter denen
Kohle gefördert wird
: Zu den größten Produzenten zählen China, Russland und Südafrika - Länder, in denen immer wieder Bergleute
ums Leben kommen.
Atomenergie
Plus:
Kernkraftwerke
produzieren - wenn sie einmal gebaut sind - günstigen Strom. Der Rohstoff Uran wird nur in geringen Mengen verbraucht, so dass die laufenden
Betriebskosten gering sind. Atomstrom kann in der Grundlast eingesetzt werden, also unabhängig von kurzfristigen Wetterschwankungen. In Frankreich wird Atomstrom auch zum
Heizen verwendet, langfristig könnten so auch
Elektroautos betrieben werden. Bei der Kernenergie wird kaum CO2 freigesetzt. Sie ist damit
klimafreundlicher als Kohle oder Gas.
Minus: Der größte Nachteil der Atomenergie ist das Risiko eines
GAUs. Selbst wenn man dafür eine geringe Wahrscheinlichkeit unterstellt - der Schaden wäre enorm. Die Katastrophe in
Tschernobyl
war nur ein Vorgeschmack dessen, was im dicht besiedelten Mitteleuropa passieren würde:
Tausende Opfer, auf ewig verseuchte Landstriche, Vermögensverluste in zigfacher Milliardenhöhe. Hinzu kommt die ungelöste Frage der
Endlagerung
: Obwohl die Kernenergie seit rund 50 Jahren genutzt wird, gibt es bis heute keine dauerhafte Deponie für die verstrahlten Abfälle. Ob es überhaupt ein sicheres Endlager geben kann, ist umstritten: Der Atommüll strahlt zum Teil mehr als
100.000 Jahre lang - was in dieser Zeit alles passiert, kann niemand vorhersagen. In jüngster Zeit wird ein weiteres Problem immer häufiger diskutiert: Was geschieht, wenn
Terroristen einen Anschlag auf ein Kernkraftwerk verüben? Oder wenn sie in den Besitz von spaltbarem Material gelangen? Sicherheitsexperten haben auf diese Fragen
keine abschließende Antwort.
Wasser
Plus: Die
Wasserkraft
ist sehr umweltfreundlich - mit geringem Eingriff in die Natur lässt sich günstig Energie gewinnen. Rund
fünf Prozent des deutschen Stroms stammen aus Wasserkraftwerken. Außerdem lässt sich in Stauseen sehr gut Energie
speichern: Bei einem Überangebot an Strom wird Wasser nach oben gepumpt. Bei Bedarf wird es dann abgelassen, um die Turbinen anzutreiben.
Minus: In Deutschland ist das
Potential der Wasserkraft so gut wie ausgeschöpft. Fast jeder Fluss hat ein Kraftwerk, ebenso fast jeder See. Im Ausland wiederum ist die Wasserkraft zum Teil in Verruf geraten:
Riesenprojekte wie der Jangtse-Staudamm in China zerstören die Natur in großem Stil.
Wind
Plus: Von allen erneuerbaren Energien ist die
Windkraft
in den vergangenen Jahren am stärksten gewachsen. Mittlerweile beziehen die Deutschen deutlich mehr Strom aus Windrädern als aus Wasserkraftwerken. Auch in Zukunft hat die Branche großes
Wachstumspotential - vor allem offshore, also in
Windparks auf dem Meer
. Ein weiterer Vorteil: Die Windkraft ist verhältnismäßig günstig. Die Betreiber der Anlagen bekommen über das
Erneuerbare-Energien-Gesetz
nur wenig mehr Förderung als der Preis für konventionellen Strom an der Energiebörse hoch ist. Zum Vergleich: Solarstrom wird weit höher vergütet.
Minus: Kritiker halten Windräder für eine Verschandelung der Landschaft. Außerdem weht der Wind sehr
unzuverlässig: Bei einer starken Brise wird das deutsche Stromnetz überlastet, bei Flaute muss Strom aus dem Ausland hinzugekauft werden. Praktikable
Speicher für Windenergie gibt es bisher nicht. Ein weiterer Nachteil: Starker Wind bläst vor allem in Norddeutschland, die großen Verbrauchszentren liegen aber im Süden und Westen. Um den Strom abzutransportieren, sind zahlreiche
neue Leitungen nötig
.
Sonne
Plus: Die Sonne ist nach menschlichen Maßstäben eine
ewige Energiequelle
, und sie scheint für jeden umsonst. Hätten alle Dächer Deutschlands eine
Solaranlage, könnte so ein großer Teil des hiesigen Strombedarfs gedeckt werden - klimaschonend und unabhängig von Importen. Darüber hinaus lässt sich das Sonnenlicht auch zur
Warmwasserbereitung nutzen: Mit Solarkollektoren kann man herkömmliche Heizungen ergänzen und so die
Energiekosten drücken.
Minus: Die Sonne hat den gleichen Nachteil wie der Wind - ihre Energie lässt sich nicht zu jeder Uhrzeit nutzen. Das größte Problem ist jedoch der
Preis: Solarstrom
kostet viel mehr
als konventioneller Strom. Und trotz
milliardenschwerer Subventionen leistet Sonnenenergie bislang nur einen geringen Beitrag zur deutschen Stromversorgung: Schätzungen schwanken
zwischen einem um zwei Prozent. Damit die Photovoltaik in Mitteleuropa wettbewerbsfähig wird, müsste es eine
technische Revolution geben - oder die Preise für konventionelle Energie müssten dramatisch steigen.
Biomasse
Plus: Holz, Stroh, Mais - beim Verbrennen dieser Stoffe wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie die Pflanzen vorher der Atmosphäre entzogen haben.
Biomasse
lässt sich in vielen Bereichen einsetzen: zum
Heizen (beispielsweise mit Holzpellets), zum
Autofahren (mit
Biodiesel oder Bioethanol
) oder zur
Stromerzeugung (mit Biogas). Der große Vorteil: Biomasse ist gespeicherte Energie. Man kann also frei entscheiden, wann man sie nutzen möchte - anders als bei Wind- oder Solarkraft. Ein weiterer Pluspunkt: Energiepflanzen, die in Deutschland wachsen,
reduzieren die Abhängigkeit von Importen.
Minus: In jüngster Zeit gerät die Bioenergie massiv in die Kritik. Denn die Pflanzen benötigen enorme Anbauflächen - und treten damit in direkte Konkurrenz zur
Nahrungsmittelproduktion. Gerade bei
Biotreibstoffen
wird das zum Problem: Lässt es sich moralisch rechtfertigen, dass die Reichen Mais tanken - während die Armen hungern? Hinzu kommt ein gigantisches
Mengenproblem: Wollte Deutschland seinen gesamten Benzin- und Dieselbedarf mit Biokraftstoffen decken, wäre dafür eine Fläche nötig, die größer ist als die gesamte Bundesrepublik. Das Gleiche gilt fürs Heizen: Sollten alle Bundesbürger auf Holzpellets umsteigen, würde der deutsche Wald dafür
nicht reichen - erneut wären Energie-Importe nötig.
Erdwärme
Plus: Die Wärme im Erdinneren steht rund um die Uhr zur Verfügung. Sie lässt sich sowohl zum
Heizen als auch zur
Stromerzeugung nutzen. Gäbe es keine Probleme mit der Bohrtechnik, könnte die
Geothermie
den gesamten deutschen Energiebedarf decken.
Minus: In Deutschland muss man Hunderte oder gar Tausende Meter tief bohren, um ein ausreichendes Temperaturniveau zu erreichen. Die Kosten der Geothermie sind deshalb
sehr hoch. Mancherorts gibt es außerdem Probleme mit dem Grundwasser. Andere Länder sind hier aus geologischen Gründen in einer besseren Position:
Island zum Beispiel deckt seinen Energiebedarf zum Großteil mit der Wärme aus dem Erdinneren.