Werbung bei der WM
Chinas gigantischer Fußball-Plan
Der offizielle Trinkjoghurt der Fußball-WM 2018 stammt von der "mongolischen Kuh". Wie auch die offizielle Milch, das offizielle Milchpulver und die offizielle vorverpackte Eiscreme. Letztere bietet der chinesische Hersteller Mengniu (Mandarin für "mongolische Kuh") den WM-Besuchern auch an Ständen vor den Stadien feil. In der Produktpalette hat das Unternehmen aus der Region Innere Mongolei Sorten wie "Mood for Green" mit roten Bohnen oder "Suibian Suixinguo" mit Käse-Mango-Geschmack.
Der Run der Fans auf das China-Eis hält sich in Grenzen. Was unter anderem daran liegen könnte, dass auf den bunten Plastikverpackungen fast nur chinesische Schriftzeichen stehen. Und auch auf den Banden rund um das Spielfeld wirbt Mengniu gern in seiner heimischen Sprache - ebenso wie Wanda, Hisense oder Vivo.
So heißen die vier chinesischen Unternehmen, die sich eingekauft haben in den exklusiven Kreis der zwölf wichtigsten Sponsoren der WM und des Weltverbandes Fifa: Seit an Seit mit Adidas
, Coca-Cola
oder Hyundai
. Zwischen 8 und 32 Millionen Euro haben sie Schätzungen zufolge dafür hingeblättert - dabei spielt die chinesische Fußball-Nationalmannschaft nicht einmal mit in Russland. Und so fragen sich viele Beobachter: Was soll das?
China soll Fußball-Großmacht werden
Aus wirtschaftlicher Perspektive erscheint mancher chinesische Sponsoringdeal unsinnig. Für Weltmarken wie Coca-Cola, McDonald's, Budweiser mag die Weltmeisterschaft die perfekte Bühne sein, um ihre Produkte Verbrauchern rund um den Globus schmackhaft zu machen.
Aber Mengniu? Das Molkereiunternehmen verkauft sein Eis laut Geschäftsbericht nur in der Volksrepublik China; künftig will es nach und nach Nachbarländer erschließen. Und auch der neue "Fifa-Partner" Wanda, dessen Logo bei der WM allpräsent wirkt, ist international wenig bekannt. Das Konglomerat, das Wohnungen, Einkaufszentren, Vergnügungsparks und Kinos betreibt, ist zwar weltweit aktiv. Außerhalb Chinas tritt es aber nur selten unter der Marke Wanda auf.
Die Streuverluste - Marketing-Sprech für Adressaten, die nichts mit einer bestimmten Reklame anfangen können - sind gigantisch für Mengniu und Wanda. Aber das war den Managern von vornherein klar. "Diesen Unternehmen geht es nicht darum, mit ihrer Werbung globale Märkte zu erschließen", sagt Max Zenglein, Programmleiter Wirtschaft am Berliner Mercator Institut für China-Studien (MERICS). "Sie wollen diese Bühne für ihr heimisches Publikum nutzen. Und es ist nicht auszuschließen, dass auch eine politische Komponente mit dabei ist."
China soll Fußball-Großmacht werden. So hat es der "überragende Führer" höchstpersönlich vorgegeben. Xi Jinping will die WM 2030 nach China holen. Und der allmächtige Präsident, nach eigenen Angaben Fan, will auch, dass die chinesische Nationalmannschaft Weltmeister wird.
Bislang sind die Chinesen im Fußball aber nur als Konsumenten wichtig: bei der WM 2014 schaute etwa jeder Fünfte zu, also knapp 300 Millionen Menschen. Die China-Kicker hingegen schafften es nur ein einziges Mal zu einer WM. Und flogen 2002 gleich wieder heim: nach 0 Punkten, 3 Niederlagen und 0:9 Toren in der Vorrunde. Diesmal scheiterten sie schon in der Qualifikation.
Westliche Unternehmen sind gegangen
Umso präsenter sind in Russland nun Chinas Konzerne. Der Fifa kommen sie gerade recht. Denn die bewährte Gelddruckmaschine des Weltverbands ruckelt. Nach dem Korruptionsskandal 2015 liefen der Fifa reihenweise Partner davon: von Sony über Emirates bis Continental. Von den 34 Sponsorendeals, die der Weltverband für die WM 2018 angeboten hatte, verkaufte die Fifa nur 19 Pakete. Neu eingestiegen sind einige russische Unternehmen, die staatliche Fluggesellschaft des nächsten WM-Gastgebers Katar - und natürlich die Chinesen.
Vor einigen Jahren hätten chinesische und asiatische Unternehmen "nicht die geringste Chance" gehabt, Fifa-Sponsoren zu werden, zitiert die französische Zeitung "Le Monde" den Wanda-Chef Wang Jianlin. "Aber weil die westlichen Unternehmen gegangen sind, haben wir diese Chance bekommen."
Und diese Chance will Wanda nun aktiv nutzen - auch im Sinne der Volksrepublik China. Man sei besser aufgestellt, "um eine Rolle im Bieterprozess für die Vergabe großer Fußballturniere wie der Weltmeisterschaft zu spielen", erklärte der Konzern kurz nach Unterzeichnung des Fifa-Deals.

Werbefigur Lionel Messi
Und Mengniu? Die "mongolische Kuh" hat für Russland einen extraprominenten Markenbotschafter eingekauft: Lionel Messi. Der Argentinier, der vor dem Start der WM noch als Allmächtiger des Fußballsports galt, hat für ein Foto posiert: rechts der hochgereckte Daumen, links ein Tetrapak mit "reiner Milch". An den Mengniu-Ständen vor den Stadien klebt Messis Konterfei überlebensgroß. Daneben steht in meterhohen Lettern (und sogar auf Englisch): "Power of Nature, Born of Greatness".
Mit der Reinheit und Natürlichkeit seiner Produkte hat es Mengniu nicht immer so genau genommen. 2008 war das Unternehmen in den größten Lebensmittelskandal der neuen chinesischen Geschichte verwickelt. Damals hatten gewissenlose Geschäftsleute Milchprodukte mit der Chemikalie Melamin gepanscht. Mehrere Babys starben, Tausende Kinder mussten ins Krankenhaus. Auch Produkte von Mengniu waren mit Spuren des Giftes verseucht. Die damaligen Manager mussten Abbitte leisten. Und, schlimmer noch: ihre eigene Milch öffentlich trinken.
Ob Lionel Messi am Tetrapak genippt hat, ist nicht bekannt.